Auf dem Boden bleiben

Langlauf / Biathlon

Die Erfolgsliste der KSC Langläufer und Biathleten ist lang. Trotzdem ermahnt Cheftrainer Toni Ehrensperger die Eltern und Athleten, „bleibt auf dem Boden!“ Siege in der Kinder- und Schülerkategorie sind kein Garant für künftige Weltmeistertitel.

Toni Ehrensperger ist seit 2004 Jahren als Trainer für Langlauf beim KSC tätig. Der gelernte Tischler  setzt sich intensiv mit der Langlauf-Pädagogik auseinander, informiert sich  immer wieder über die neuesten Lehrmethoden. Er hat sich international als Langlauf-Trainer im Nachwuchsbereich einen Namen gemacht - immer auf der Suche nach dem Konsens  mit den sportspezifischen Schulen wie Stams, Saalfelden, Schladming und Eisenerz hat er bereits viel bewegen können.

Was ist dir wichtig bei den jungen Athleten?

In erster Linie die Selbstständigkeit. Es kann nicht sein, dass die Eltern alles hinterhertragen. Die Kinder müssen lernen, sich selbst zu organisieren. Mir ist auch wichtig, dass die Kinder und Schüler über das Skiwachs Bescheid wissen und die Ski präparieren.

Ist Sport für die Familien zu teuer?

Oftmals sehe ich Familien die gemeinsam Essen gehen und die Kinder spielen dann mit den Smartphones, sie unterhalten sich nicht mit der Familie. Diese Situation zieht sich dann auch zu Hause weiter. Anstatt mit den Kindern in die Natur zu gehen, wird mit dem Computer gespielt oder ferngeschaut. Das Rausgehen, im Wald spielen, wandern kostet nichts. Aber auch Kindern die Freiheit zu geben, sich mit sich selbst zu beschäftigen, mit Nachbarskindern unterwegs zu sein, die Natur auf eigene Faust zu entdecken. Eigenverantwortung zu übergeben und hinter dem Kind zu stehen, wenn etwas schiefläuft , das ist sehr wichtig für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen.  Sie müssen ihre eigenen Erfahrungen machen und dazu ermutigt werden.

Spielt das Finanzielle eine Rolle, wenn man Kinder zum Sport schickt?

Nein, bei den meisten Sportarten überhaupt nicht. Im Langlauf haben wir viel Leihmaterial und wenn sie größer werden, gibt es Top-Ausrüstungen zum Leihen, die Miete dafür ist nicht hoch. Viele Vereine machen gute Angebote, besonders, wenn Kinder mit einer bestimmten Sportart anfangen bzw. ausprobieren wollen, um zu schauen was ihnen zusagt. Wir haben Familien, die kein Auto haben, da fährt die Mutter mit dem Sohn per Rad zum Training. Im Winter  kann eine Mitfahrgelegenheit ganz leicht organisiert werden, wenn die Familie  einmal nicht Zeit haben sollte,  um das Kind zum Training oder Wettkampf zu bringen. Eine Frage beim Trainer oder anderen Eltern genügt. Auch das spielt also keine wesentliche Rolle, ob ein Kind Sport in einem Verein mitmachen kann oder nicht.

Was passiert in den Schulen?

Hervorheben möchte ich den Schulsportservice des Landes Tirol, das ist eine sehr gute Einrichtung. Qualifizierte Trainer gehen in die Schulen und geben dort gemeinsam mit dem Klassenlehrer Sportunterricht. Die Kosten werden vom Land getragen. Das Kindesalter ist der Zeitraum, in dem sich der Mensch aus einem inneren Bedürfnis heraus bewegt. Hier muss man ansetzen. Eine  Schule muss beim Land lediglich ihr Interesse  anmelden und es läuft. Im Jahr 2017/2018 kamen über 10.000 Schüler aus 321 Schulen in Tirol in den Genuss bzw. haben diesen Service genützt. Natürlich braucht es eine positive Einstellung der einzelnen Schulen dazu. Wichtig ist dies vor allem im Volksschulalter. Das Ausprobieren weckt das Interesse.

Vor drei Jahren gab es den Ruck zu weniger Wettkämpfen für Kinder und Schüler. Was wurde daraus?

Prinzipiell hat sich etwas getan. Aber noch immer zu wenig. Leider gibt es nach wie vor viele Terminüberschneidungen bei den Bewerben zwischen regionalen und überregionalen Bewerben. So kann es passieren, dass ein Landescup und eine Österreichische Meisterschaft gleichzeitig angesetzt sind. Das bringt uns natürlich in eine Zwickmühle. Wo sollen wir starten? Da geht es natürlich um Kaderaufstellungen und genau da beginnt das Dilemma. Zum einen sind da die Eltern und Trainer, die stolz sind auf die Leistungen des Nachwuchs sind und sie unbedingt mit 16 oder 17 im ÖSV-Kader sehen wollen. Andererseits ist es die Schule, die nach Ergebnissen bewertet. Der junge Mensch sollte erstklassige Resultate abliefern und in der Schule gut sein. Es muss hinterfragt werden, ob ein Jugendlicher mit 17 zwingend im ÖSV Kader sein muss. Wozu? Der bessere Weg wäre, nach der Schule über eine Kadernominierung nachzudenken. Damit würde man viel Druck aus den Segeln nehmen, die jungen Athleten nicht ausbrennen. Es reicht vollkommen aus, wenn sie mit 18 oder 19 zu internationalen Bewerben geschickt werden. Damit hätten sie Zeit, technisch  auszureifen, eine gute Basis aufzubauen. Training ergo Ausbildung stehen somit im Vordergrund. So, wie es derzeit läuft, hat ein Schüler oder Jugendlicher nicht die Zeit, sich richtig zu entwickeln. Obendrein ist es so, dass bei fehlenden Erfolgen die jungen Athleten sofort wieder aus dem Kader geworfen werden.  Der Rückhalt durch die Dachverbände fehlt einfach. Dann macht sich Frust breit und schließlich folgt der Drop-out.

Es wurden gerade die Schüler angesprochen, das sind die 11 bis 15-jährigen, wo siehst du Potenzial?

Wir verlangen einfach zu viel. Familien definieren ihre Kinder oftmals durch  Siege und gute Platzierungen. Sie wollen die Kinder in den Sozialen Medien und Zeitungen sehen. Es ist ein Teufelskreis, dabei soll es um Entwicklung gehen.  Gerade im Nordischen Sport hat sich gezeigt, dass es nicht notwendig ist, mit 14 Jahren Wettkämpfe zu bestreiten. Da geht es um das Erlernen der Technik, um Training und nicht um Cup-Punkte. Dazu möchte ich noch anmerken, dass in Norwegen die Biathleten erst mit 15 oder 16 Jahren mit dem Kleinkaliber schießen, auch unsere Lisa Hauser ist erst in diesem Alter zum Biathlon gekommen - heute gehört sie zur Weltspitze. Ich könnte hier noch einige andere erfolgreiche Athleten nennen. 

Das heißt, in jungen Jahren den Langlauf forcieren?

Ja, genau. Natürlich macht es Spaß beim Schießstand zu treffen. Aber bevor ein Biathlon bestritten wird, muss die Langlauftechnik perfekt sein. Dabei spreche ich nicht nur vom Skating sondern vom klassischen Stil. Eine Grundlagenausdauer gehört dazu. Bevor es zum Schießstand geht, müssen die jungen Athleten hervorragende Langläufer sein und sozusagen den Unterbau verstehen und perfektionieren. Gerade dieses Thema benötigt aber ein österreichweites Umdenken und neue Strukturen. Bei uns geht es  vor allem um Kaderaufstellungen, die einher gehen mit erfolgreichen Wettkämpfen. Da gibt es keine Zeit, sich zu orientieren.

Wie ist die Zusammenarbeit mit den sportspezifischen Schulen und Landestrainern?

Das hat sich umgedreht . Gemeinsam haben wir viel erreicht. Wir tauschen uns regelmäßig aus. Sehr bewährt haben sich die Trainingszentren, sowie auch das viermal jährlich angesetzte Training für Schüler. Im Jahr 2018 sind pro Einheit rund 100 Schüler zu diesem Programm gekommen. Die Anstrengungen fielen nicht auf, es wurde mit Spaß und Freude gearbeitet. Seitens KSC haben wir übrigens sehr engagierte Trainer, die sich immer am neuesten Stand halten. Georg Hechl führt das Langlaufreferat mit Umsicht und alle Trainer haben eine solide Ausbildung. Barbara Laner, Viktoria Jöchl, Simone und Sabine Ehrensperger sowie ich, wir beschäftigen uns professionell mit den neuesten Trainingsmethoden und entwickeln Trainingspläne. Dabei werden Alter und Leistungsmöglichkeit des Einzelnen berücksichtigt. Bei den Biathleten leitet Manfred Bachmann das Referat und wir dürfen auf zwei sehr erfahrene Biathleten als Trainer zurückgreifen. Hansi Achorner und Hanspeter Foidl haben nach ihrer aktiven Karriere das Feuer behalten und bilden jetzt junge Menschen aus.

Welche Probleme haben dann Jugendliche?

Jugendliche, die dem Verein entwachsen, also in einem Kader sind, haben plötzlich mehrere Trainer und bekommen für die gleiche Sache unterschiedliche Anweisungen und Anleitungen. Das verunsichert die Athleten völlig. Sie wissen nicht mehr, wem sie Glauben schenken sollen. Was sie tun sollen. Beim KSC sind sie da noch immer gut aufgehoben, sie können jederzeit Feedbacks bei uns abholen. Es geht da noch wesentlich tiefer in die Materie rein. Es müssen Strukturen im oberen Segment verändert werden. Derzeit gäbe es, gerade beim ÖSV, alle Chancen dafür.

Was wäre dein Wunsch?

Ein Ansatz ist, weniger Wettkämpfe und dafür mehr Trainings, um die jungen Menschen besser auszubilden. Es geht um Technik, Kondition, Ausdauer und Entwicklung. Junge Athleten sollen keinen Kaderstatus haben müssen, solange sie noch in der Schulausbildung stecken. Ein Grund ist, dass zwei Seiten am jungen Athleten ziehen. Die Schulen machen ihre Trainingspläne, planen eine Regenerationswoche ein und genau in dieser Woche bekommen sie eine Einberufung zur ÖSV Trainingswoche mit einem Ausdauerblock. Das kann einfach nicht gut gehen. Oder es wird von der Schule und dem ÖSV gleichzeitig ein Trainingsblock angesetzt. Der Sportler ist dann verunsichert, hat zusätzliche Verpflichtungen, und weiß nicht , was er tun soll. Da brennen die jungen Athleten aus, manche erkranken häufiger. Das kann einfach nicht gut gehen und muss verhindert werden. Daran müssen wir gemeinsam mit den Schulen und Verbänden arbeiten.

 

 

Ehrensperger ist persönlich aktiv und engagiert. Er nimmt gerne bei Wettkämpfe teil, ob Koasalauf, Birkebeiner oder Engadiner. Von sich selbst verlangt er ein großes Trainingspensum, ist konsequent und konzentriert. Langlaufen ist seine Passion, aber auch das Mountainbike, das Rennrad, die Skiroller und ausgiebige Bergtouren dürfen nicht fehlen.

Das Gespräch mit Toni Ehrensperger führte Barbara Thaler am 28. März in Kitzbühel.