Das erste Abfahrtsrennen - 7. Jänner 1906

KSC Sportgeschichte

Der erste „offizielle“ Abfahrtslauf
Das schweizerische Crans Montana feiert diesen Winter 100 Jahre alpiner Abfahrtsskisport. In der Internationalen Skiliteratur wird das Datum 7. Januar 1911 als Geburtsstunde des „klassischen“ alpinen Abfahrtsskisports angesehen. Für dieses Rennen stiftete der vom Wintersport begeisterte General Roberts of Kandahar den Siegerpreis, veranstaltet vom Alpine Ski Club unter der Leitung des britischen Skipionieres  Arnold Lunn. Das Rennen wird wie folgt beschrieben:
„Für das „Downhill Race“ stiegen die Teilnehmer am Vortag von Montana auf die Wildstrubelhütte auf (2.791 m). Mit einem Massenstart startete das Rennen am Folgetag und führte nach einem Aufstieg über die Weisshornlücke (2.852 m), den Gletscher des Plaine Morte und den Rezlipass zurück in den Kurort (ca. Höhe 1.500 m, bedeutet als Differenz ca. 1.352 Höhenmeter). Zwei Flaggen markierte das Ziel, ausser dem Start der einzige Fixpunkt der Strecke. Der Parcours wies zwar noch zwei kurze Aufstiege und eine flache Stelle auf, war aber nach Meinung Arnold Lunns eindeutig „downhill“ und damit wegweisend für die Zukunft. Der Sieger Cecil Hopkins legte die Strecke in 61 Minuten zurück, von 10 Teilnehmer erreichten nur fünf das Ziel“. (Quelle: Max D. Amstutz, Die Anfänge des alpinen Skisports, Zürich 2010, S 62 ff).

Während Crans Montana am 2. und 3. April 2011 hierzu feierliche Aktivitäten plant, bleibt Kitzbühels Anteil an der Entwicklung der alpinen Disziplinen leider im Hintergrund. Denn bereits 5 Jahre vor dieser „offiziellen“ Geburtsstunde fand in Kitzbühel 1906 ein reiner Abfahrtslauf statt, wie folgende Originaldokumente darstellen:

Kitzbüheler Bote, 8. April 1906
„(Vereinsmeisterschafts-Skilauf.) Der Wintersportverein Kitzbühel veranstaltet morgen Sonntag, den 8. ds. Nachmittags 4 Uhr vom Seidlalpkopf einen „Skilauf um die Vereinsmeisterschaft“ und zwar ein Abfahrtsrennen. Ziel bei der Bahnübersetzung in der Hinterbräuau.“

Kitzbüheler Bote, 15. April 1906
„(Der Skiwettlauf) der Mitglieder des hiesigen Wintersport-Vereines konnte am Sonntag, den 8. April, unter günstigen Schneeverhältnissen abgehalten werden. Nachmittags trat leider teilweise regnerisches Wetter ein; daher starteten von den 14 Angemeldeten nur 7 Mitglieder. Sämtliche Teilnehmer erzielten zufriedenstellende Leistungen. Die 3 Kilometer lange Bahn mit 624 Meter Höhendifferenz wurde vom ersten Sieger, Sebastian Monitzer, in 8 Min. 1 Sek. durchfahren. Als zweiter folgte Josef Ritzer mit 8 Min. 16 Sek. Und als dritter Anton Herold mit 9 Min. 41 Sek. Die weiteren vier Teilnehmer langten mit nur wenigen Sekunden Zeitunterschied am Ziele an.“

Mit der angeführten Höhendifferenz und Streckenführung verlief die Strecke fast ident mit den späteren Damenabfahrtsrennen im Rahmen der Hahnenkamm-Rennen der 40iger und 50iger Jahre bzw. dem modernen Super-G heutiger Tage, völlig ohne Flachstücke oder Aufstiege, der Schnellste gewinnt, ein richtiger „downhill only“. Die Siegerzeit von rund 8 Minuten sowie die Streckenlänge mit 3 km ergibt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 22,5 km/h für diesen ersten Abfahrtslauf (!)

In den Folgejahren wurden weitere solche „reinen“ Abfahrtsrennen durchgeführt. Etwa am 27. Februar 1910, ein Mannschafts-Abfahrtsrennen, welches als erstes vom Hahnenkamm durchgeführt wurde (Höhenunterschied 800 m). Die Siegerzeit für die Mannschaft vom Skiklub Innsbruck betrug 15.55,2 Minuten.

Der Vollständigkeithalber sei festgehalten, dass es die Leistungen des Österreichers Matthias Zdarsky waren, den Torlauf in seinen Grundzügen zu entwickeln, und zwar am 19. März 1905 (Muckenkogel bei Lilienfeld, 489 m Höhendifferenz, 85 Tore) bzw. am 25. März 1906 (Spitzebrand bei Lilienfeld, 175 m Höhendifferenz, 35 Tore). Der in der Internationalen Skigeschichte als „erster Slalom moderner Prägung“ wird Sir Arnold Lunn im schweizerischen Mürren am 6. Jänner 1922 zugschrieben, also mehr als ein Jahrzehnt später.

Die Skigeschichte Kitzbühels bietet weitere Rennen an, die ebenfalls zur Entwicklung der alpinen Skidisziplinen geführt haben. So zum Beispiel fand am 21. Jänner 1906 ein Abfahrtsrennen vom Kitzbüheler Horn statt (300 m Aufstieg, 1.200 Abfahrt !) und einem anschließenden stilgemäßen Skilauf mit Punktewertung. Oder am 17. Feber 1908 fand das erste Rennen des Skiclub of Great Britain in Kitzbühel in Form eines „Combined Curving and Speed Race“ statt. Alles Vorläufer der späteren alpinen Skidisziplinen, aber noch nicht in deren Reinform. Die Durchführung eines ausschließlichen „Abfahrtslaufes“ im modernen Sinn können aber die Kitzbüheler für sich in Anspruch nehmen.