Ernst Hinterseer und Hias Leitner: „Wir waren überall“ - 60 Jahre nach Squaw Valley

KSC Sportgeschichte

Ernst Hinterseer und Hias Leitner: „Wir waren überall“ - 60 Jahre nach Squaw Valley - Ernst Hinterseer und Hias Leitner: „Wir waren überall“ - 60 Jahre nach Squaw Valley -

Vor 60 Jahren holten sie Olympisches Gold, Silber und Bronze

665 Athleten aus 30 Nationen nahmen bei den Olympischen Winterspielen in Squaw Valley 1960 in den USA teil. Südafrika hatte seine Premiere bei den Winterspielen und die Bundesrepublik Deutschland und die DDR traten als gesamtdeutsche Mannschaft auf. Vieles von damals ist in Vergessenheit geraten. Eines nicht, die Gold- und Bronzemedaille von Ernst Hinterseer und die Silbermedaille von Hias Leitner. Auch Anderl Molterer war als Aktiver dabei.

„Die Reise nach Squaw Valley vergesse ich nie!“ sagte Hias Leitner und Ernst Hinterseer hackte ein: „Zuerst haben wir drei, Hias, Anderl und ich, die Mannschaft im Hotel Sailer in Innsbruck getroffen. Am nächsten Tag ging es mit dem Zug weiter nach Zürich, von dort sind wir nach London geflogen, dann nach Neufundland und von dort nach Montreal und schließlich nach Reno. Das kann man sich nicht vorstellen, wir waren 35 Stunden mit Propellermaschinen unterwegs.“ Hias Leitner lachte und sagte: „In Reno am Flughafen waren wir komplett überrascht, dort standen in der Halle Spielautomaten.“ Von Reno in Nevada fuhren wir nach Heavenly Valley am Lake Tahoe zum achttägigen Training. „In Heavenly war es sehr angenehm, der Trainingskurs war locker und gemütlich, da hat man überhaupt nichts vom Druck der bevorstehenden Olympischen Spiele gespürt“, erzählte Hias Leitner. Untereinander haben sie sich alle gut verstanden und neben den drei Kitzbühelern waren auch noch Karl Schranz, Ernst Oberaigner, Pepi Stiegler und Egon Zimmermann sowie Gerhard Nennung (Ersatzmann) mit dabei.

Es waren schöne Spiele

Auf der mehrstündigen Fahrt zwischen Reno und dem Trainingsort fuhr das Team mit einem kleinen Bus. Hinterseer und Leitner mussten ganz hinten sitzen, die Favoriten durften vorne Platz nehmen. Sie saßen mit dem Rücken gegen die Fahrtrichtung, was nicht gerade angenehm war. „Da sagte ich zu Hias, bei der Heimfahrt ist es vielleicht anders und wir sitzen vorne“, erinnert sich spitzbübisch Hinterseer.

Unisono erzählten beide Skilegenden: „Es waren schöne Olympische Spiele, klein und familiär. Wir hatten eine nette Unterkunft und im Speisesaal bekamen wir alles in Hülle und Fülle. Wir haben uns wohlgefühlt, fast ein wenig wie daheim.“

Franzosen hatten Vorteile

Der Schnee in Squaw Valley kam damals erst Anfang Februar; bei der Eröffnungsfeier fegte ein Blizzard über das Stadion. Der Schnee war kalt und trocken, erzählten die beiden Medaillenträger. „Das war ein komplett anderer Schnee als hier in Europa“, so Ernst Hinterseer. „Einen Vorteil hatten die Franzosen durch die Metallski und die verdeckten Kanten. Wir fuhren noch mit Holzski, mit aufgeschraubten Kanten. Diese Schrauben bremsten“, so Hias Leitner. Adrien Duvillard war der große Favorit aus dem französischen Team, er gewann zuvor am Hahnenkamm die Abfahrt, den Slalom und damit auch die Kombination. Karl Schranz siegte am Hahnenkamm beim Riesenslalom. „Aber es ist anders gekommen“, sinniert Hinterseer.

Die Erste Medaille kam mit dem Riesenslalom am 21. Februar

Am 21. Februar wurde der Riesenslalom ausgetragen. Kurssetzer war der Amerikaner Barney McLean. Karl Schranz eröffnete das Rennen mit der Startnummer 1. Dieser hatte vor den Spielen jedermann wissen lassen, dass er Abfahrt und Riesenslalom gewinnen werde, doch er war zu nervös, er wurde Siebenter. Stiegler wurde wegen einer falschen Zeitnehmung als Sieger aufgerufen, was aber nach 18 Minuten korrigiert wurde. Er holte Silber. „Das war furchtbar, wir alle dachten, Pepi hätte Gold doch dann kam die Korrektur“, so Leitner. „Ich war fix gesetzt im Riesenslalom, vielleicht hätte ich noch Zeit gut machen können, leider passierte mir vor dem Ziel ein Fehler“, erzählte Ernst Hinterseer der Bronze gewann. Anderl Molterer wurde Zwölfter. Bereits im ersten Lauf stieg Willy Bogner aus. „Damals hatte der Riesenslalom eine Höhendifferenz von 553 Metern und 55 Toren, das war eher wie der heutige Super-G“, sagte Leitner nachdenklich. Es gab auch nur einen Durchgang.

Nur Zuschauer bei der Abfahrt

Einen Tag später wurde die Abfahrt auf der „Squaw Peak“ Piste durchgeführt. Aufgrund der starken Schneefälle wurde das Rennen Tage verschoben. Ursprünglich war der Abfahrtslauf am 19. Februar geplant. Als Kursetzer Der Franzose Juan Vuarnet siegte vor dem Deutschen Hans-Peter Lanig und dem Franzosen Guy Périllat. Karl Schranz wurde Siebenter, Egon Zimmermann Zehnter, Pepi Stiegler landete auf dem 15. und Anderl Molterer auf dem 19. Rang. „Ich erinnere mich noch genau, wir haben bei der Abfahrt zugeschaut und standen im oberen Drittel. Schranz wurde als Favorit gehandelt. Aber mit freiem Auge konnte man sehen, dass Karl nicht vorne dabei sein wird“, berichtete Hias Leitner. „Es war ein traumhaft schöner Wintertag“, ergänzte Hinterseer und beide ehemaligen Skirennläufer erwähnten immer wieder den Materialvorteil der Franzosen.

Mit 2,15 m zu Gold

Der Slalom fand am Mittwoch, 24. Februar, statt und bereits um 9.30 Uhr wurde auf der Piste „KT-22“ gestartet. Ein Freund von Willy Bogner, der Norweger Stein Eriksen, setzte den ersten Lauf mit 69 Toren und der zweite Durchgang wurde vom Schweizer Karl Molitor mit 62 Toren ausgeflaggt. Bei schönstem Wetter gab es eine hohe Ausfallquote der Teilnehmer. Grund waren die beiden schweren und völlig unterschiedlichen Kurse. „Stein Eriksen hat einen stark drehenden, fast unmöglich zu fahrenden, schrecklichen Slalom gesteckt. Der Hang war steil“, so Hinterseer. 63 Teilnehmer sind angetreten, davon waren am Ende nur 40 in der Wertung. Unter anderem stiegen Top-Läufer wie Willy Bogner (Bestzeit nach dem 1. Lauf Francois Bonlieu (FRA), Willi Forrer (SUI), Ernst Oberaigner (AUT) und Roger Staub (SUI) aus. „Ich bin mit dem Riesenslalomski beim Slalom angetreten, der war 2,15 Meter. Dieser Ski hatte bereits moderne Kanten und ich fühlte mich damit wohler“, erzählte Hinterseer. Die Goldmedaille gewann Ernst Hinterseer, der eigentlich nur Ersatzmann war, hinter ihm klassierte sich Hias Leitner auf dem zweiten Platz und gewann damit Silber. Pepi Stiegler wurde Fünfter; Ernst Oberaigner wurde disqualifiziert.

Fahnenübergabe an Innsbruck war emotional

„Wir haben uns auch ein Eishockeyspiel angeschaut, das US-Team und Russland zeigten eine wahre Meisterleistung am Eis. „Es war ein Kampf zwischen den beiden Teams um Gold, geschenkt haben sie sich gegenseitig nichts, gewonnen hat die USA“. Insgesamt habe ich nur gute Erinnerungen an die Olympischen Spiele von 1960“. Othmar Schneider war ein umsichtiger Mannschaftsführer und guter Trainer, erwähnten die beiden Legenden. Schlachtenbummler und Fans gab es keine, beide dachten darüber nach und Hinterseer fiel nur ein: „Dr. Alois Lugger hat die Fahne für die Spiele 1964 in Innsbruck übernommen und als die Hymne gespielt wurde sind ihm die Tränen über die Wangen geflossen. Das hat uns sehr berührt und wir fingen auch fast zu weinen an“. Ansonsten konnten sie sich nur an die beiden Top-Sportjournalisten Bertl Neumann und Toni Thiel erinnern. „Es war schon schön, bei der Abschlussfeier durfte ich die österreichische Fahne tragen,“ freute sich Hinterseer.

Ab 1960 nur Glück

Bei der Frage nach Glück, sagte Hinterseer, dass es ihm bis 1960 nicht gut ging, er hatte ein schweres Leben hinter sich und zwei schwere Verletzungen, eine davon fast tödlich. Ab dem Olympiawinter ging es bergauf. „Ich habe Glück gehabt, hatte beruflich Erfolg, konnte viel aufbauen und habe eine nette Familie. Dazu bin ich gesund, was will ich mehr!“ Ins gleiche Horn bläst Leitner: „Wir hatten Glück und unser Leben ist gut verlaufen!“

Hinterseer wollte nicht hinter Sailer und Molterer wohnen

„Der Empfang in Kitzbühel bleibt unvergesslich, wir wurden von den Skilehrern in die Stadt getragen und unzählige Leute waren da“, so Hinterseer. Von der Gemeinde bekam der Goldmedaillengewinner ein Baugrundstück „Bürgermeister Hermann Reisch fragte mich, ob ich das Grundstück hinter Anderl und Toni haben möchte oder am Schattberg. Da sagte ich ihm, dass ich auf den Schattberg gehe, denn ich war in der Vergangenheit oft genug hinter den Beiden“, und spielte damit schmunzelnd auf die fantastischen sportlichen Erfolge von Anderl Molterer und Toni Sailer an.

Ohne Geld haben sie die Welt gesehen

Beide erzählten von ihren vielen Abenteuern, Erlebnissen und der gemeinsamen Zeit. Ohne Geld haben sie die Welt gesehen. „Wir haben immer zusammengeholfen, wir waren immer Freunde. Die Erfolge bei den Olympischen Spielen 1960 in Squaw Valley vor 60 Jahren haben unser Leben positiv beeinflusst!“

 

Facts

Das Österreichische Olympiateam brachte insgesamt sechs Olympische * Medaillen nach Hause

Gold | Slalom – Ernst Hinterseer (Kitzbüheler Ski Club)

Silber | Slalom – Hias Leitner (Kitzbüheler Ski Club)

Silber | Riesenslalom – Pepi Stiegler (SC Lienz)

Bronze | Riesenslalom – Ernst Hinterseer (Kitzbüheler Ski Club)

Bronze | Abfahrt – Traudl Hecher (TS Schwaz)

Bronze | Skispringen – Otto Leodolter (SC Zell am See)

(* Anmerkung: Wie zur damaligen Zeit üblich, wurden gleichzeitig und zusätzlich auch FIS WM Medaillen vergeben inkl. der Alpinen Kombination, sodass Ernst mit vier und Hias mit zwei Medaillen heimkamen)

Wissenswertes

  • 1960 war Biathlon erstmals eine olympische Disziplin. 30 Athleten traten an und schossen mit Großkalibergewehren auf 100 bis 200 Meter. Es war ein Rennen über 20 Kilometer.
  • Die Schweizer Uhrenfirma Longines hat 16 Spezialisten für die Zeitnehmung nach Squaw Valley geschickt. Entlang der Rennstrecken wurden Uhren angebracht und so konnten Zwischenzeiten mitverfolgt werden.
  • Beinahe wären die Spiele buchstäblich „ins Wasser“ gefallen. Erst am 9. Februar, zehn Tage vor Beginn der Spiele, fiel Schnee.
  • Nur die US Athletin Penny Pitou und Ernst konnten zwei Medaillen bei diesen Spielen gewinnen.
  • Nach der Begrüßung der Fahnenträger durch Organisationschef Prentis C.Hale, übergab dieser das Wort an den damaligen US-Vizepräsidenten Richard Nixon, der aber außer der fünfzehn Worte umfassenden Eröffnungsformel keine Zusatzrede hielt, dafür ist er 4.300 Kilometer angereist. Der Präsidentenkonvoi hat für die 160 km von Sacramento nach Squaw Valley aufgrund der starken Schneefälle vier Stunden gebraucht. Daher musste die Eröffnungsfeier um eine Stunde verschoben werden.
  • Bei der Eröffnungsfeier fegte ein Blizzard über das Stadion, als Vertreter von Cortina d’Ampezzo die Olympiafahne übergaben, brach die Sonne durch.
  • Erstmals wurden TV-Rechte exklusiv verkauft, wobei das IOC beschloss, diese für 50.000 US-Dollar an CBS zu verkaufen. Für die Sommerspiele im selben Jahr musste CBS bereits 550.000 Dollar bezahlen.
  • Es gab keine Bob-Bewerbe, weil den Organisatoren das Geld fehlte und sie wegen neun Nationen keine Bahn bauen wollten.
  • Erstmals nahmen Frauen im Eisschnelllauf teil.
  • Ein weiterer Kitzbüheler Kollege des Wunderteams war vor Ort. Fritz Huber als Trainer des Deutschen Nationalteams konnte mit Heidi Biebl (Gold Abfahrt), Hans-Peter Lanig (Silber Abfahrt) und Barbara Henneberger (Bronze Slalom) drei Medaillen erzielen. Willy Bogner führte im Slalom nach dem ersten Durchgang, für den zweiten Lauf nahmen die Eltern ihn aus der Obhut von Trainer Huber und baten Stein Erikson sich privat den Kurs mit Willy zu besichtigten, was folglich zum nicht ganz überraschenden Ausscheidens Bogners führte.
  • Ebenso als Trainer der kanadischen Damen-Nationalmannschaft war Pepi Salvenmoser in Squaw Valley. Er betreute unter anderem Anne Heggtveit. Sie gewann Gold im Slalom und in der Kombination. Heggtveits kanadische Heimatstadt Ottawa ernannte in Folge Salvenmoser zum Ehrenbürger.
  • Das Skigebiet gab es einige Jahre vorher noch gar nicht. Der Walt Disney Konzern hatte das Gelände gekauft mit dem Ziel ein Skigebiet zu bauen und wollte mit dem Olympischen Winterspielen „Werbung“ für das Skizentrum machen. Die Eröffnungsfeier und Schlusszeremonie wurde von den Kreativen des Disney Konzerns unter der persönlichen Leitung von Walt Disney dann auch erstmals in der Geschichte der Spiele als Gesamtinszenierung aufgeführt (5.000 Künstler traten bei der Eröffnungsfeier auf).