Um Talente zu finden muss man früh dran sein
Ski Alpin
Christine Pletzer-Hörl ist Mutter von drei Kindern, Lehrerin in der Tourismusschule in St. Johann in Tirol und leitet das KSC Alpin-Referat. Sie besuchte das Skigymnasium in Stams und fuhr mit 16 ihr erstes FIS-Rennen und wurde Tiroler Meisterin im Super-G, kämpfte mit Verletzungen und kennt die Szene wie ihre Westentasche. Pletzer-Hörl trainiert auch mit den KSC-Kindern und fährt noch immer leidenschaftlich gerne Rennen. So ist sie mittlerweile neunfache KSC Clubmeisterin. Zuletzt holte sie sich am 31. März 2019 den Titel.
Die KSC Kindergruppe ist groß, lichtet sich allerdings im Schülerbereich und in der Jugendklasse kommen nur noch vereinzelt Nachwuchsfahrer an. Auf Bezirksebene zeichnet sich das gleiche Bild ab. Durchschnittlich sind bei den Bezirkscups 190 Kinder am Start. Schaut man Richtung Westen, so fallen der Bezirk Landeck mit rund 110, der Bezirk Imst mit 75, Reutte mit 65 und Innsbruck mit 72 ab. Die Bezirke Schwaz (115) und Kufstein (140) weisen noch hohe Zahlen auf. Bei den Schülern sind es nur noch rund 65 bis 70 Teilnehmer. Dieser Athletenschwund im Schülerbereich zeichnet sich in allen Bezirken ab.
So gesehen kann man daraus ablesen, dass die Vereine im Bezirk Kitzbühel eine starke Kinderarbeit leisten. Der Kitzbüheler Ski Club hat die größte Kindergruppe (Jahrgänge 2011 bis 2007 und früher), schickt jedoch die Kinder nicht zu allen Rennen.
Schwierig ist der Sprung zu den FIS-Rennen. „Auf FIS Ebene haben in der Saison 2019 bei den Mädchen rund 40 und bei den Buben 60 des Jahrgangs 2002 begonnen. Fünf Saisonen später sind es nur noch rund 13 Mädchen und 14 Buben, das sind schon extreme Zahlen,“ so ÖSV Nachwuchsreferent Gert Ehn. In den vergangenen zwei Saisonen haben zwei vielversprechende KSC Rennläuferinnen leider ihre Karriere beendet. Dajana Dengscherz wurde nach einer durchwachsenen Saison nicht mehr für den ÖSV Kader 2019 nominiert und auch ihre Schwester Carina hat nach einer weiteren schweren Verletzung entschieden, aufzuhören.
Wir haben bei der Alpin-Referentin nachgefragt, warum ihrer Ansicht und Erfahrung nach derzeit keine KSC Skirennläufer an der Spitze sind.
Warum ist es so schwer, Kinder beim Skirennsport zu halten?
Ich denke, es ist das Überangebot an Sportarten, die bei uns angeboten werden und alle Vereine sind hochprofessionell. Es ist so, dass die Kinder gleich mehrere Sportarten ausüben, direkt Stress haben, ihren strengen Zeitplan einzuhalten. Fußball, Tennis, Triathlon, Schwimmen, Eishockey, Ballett und dann gehen sie auch noch zum Musikunterricht. Natürlich darf die Schule nicht außer Acht gelassen werden, so muss noch gelernt und es müssen die Hausaufgaben erledigt werden. Aufgrund der Professionalität vieler Sommersportarten sind diese Vereine auch im Winter sehr aktiv, wie Fußball oder Tennis.
Aber Vielseitigkeit wird ja immer wieder von allen Seiten gefordert?
Ja, das stimmt. Vielseitigkeit wird gefordert und ist auch sehr wichtig für die sportmotorische Entwicklung der Kinder. Ich bin nur der Meinung, dass auf die Kinder nicht zu viel Druck und Stress ausgeübt werden sollte. Und da sind vor allem die Eltern gefordert, die sportliche Vielseitigkeit ihrer Kinder zu steuern und eventuell je nach Jahreszeit auch Prioritäten zu setzen. Wir fahren beispielsweise mit unseren Kindern im Sommer nicht auf den Gletscher, dafür ist unsere Haupttrainings- und Wettkampfzeit im Winter. „Alles zu seiner Zeit mit viel Spaß an jeder sportlichen Betätigung“ – das ist für mich das Motto im Kinderbereich.
Kommen Kinder von sich aus zum KSC?
Wir haben Sichtungstrainings, die wir auch in den Schulen, wie Volksschule Kitzbühel, Reith und Aurach, ausschreiben. Weiters beobachten wir auch den Schulskikurs, der alljährlich Anfang Dezember abgehalten wird. Einerseits kommen die Eltern mit ihren Kindern zu uns und andererseits sprechen wir sie aktiv an. Dabei müssen wir früh dran sein und die Kinder bereits im Bambini-Alter zu uns holen. Das erste Jahr bestreiten die Kinder keine Rennen, wir möchten ihnen spielerisch und auch mit Leichtigkeit eine Grundausbildung mitgeben, bevor sie zwischen den Toren um Sekunden fahren. Wir möchten sie behutsam aufbauen, nicht überfordern.
Gibt es Quereinsteiger?
Generell nein, aber es gibt natürlich immer wieder Ausnahmen. Natürlich gilt, je später sie dazu kommen desto schwieriger wird es – es kommt dann immer darauf an, wie viel ansonsten skitechnisch gemacht wurde und vor allem was das Wichtigste ist, wie viel selbst in der Familie, mit Freunden Ski gefahren wird.
Wird generell von Kindern zu viel verlangt?
Es wird schon unheimlich viel verlangt. U8, das ist heuer der Jahrgang 2011, müssen bereits einen Einstangenslalom bewältigen. Das ist eine rasante Entwicklung, die nicht immer förderlich ist, weil den Kindern Zeit genommen wird sich langsam und individuell zu entwickeln.
Wie oft wird trainiert?
Mit den Bambini, Jahrgang 2012, trainieren wir zweimal wöchentlich, mit der Gruppe 2 sind wir dreimal und der Gruppe 3 viermal wöchentlich unterwegs. Wir verlangen aber nicht, dass die Kinder immer da sein müssen. Wir möchten eine rege und vor allem regelmäßige Teilnahme an den angebotenen Trainings. Bei der Gruppe 1 wird mindestens eine 60%ige Teilnahme gefordert.
Wie schaut das mit den Skirennen aus?
Wir haben bei den Kindern acht Bezirkscup-Rennen und einen Konditions-Wettkampf im November. Allerdings schicken wir die Kinder nicht zu allen Rennen. Sie sollen vorher eine gute Basis haben, sich entwickeln können. Da sind auch oft die Eltern ungeduldig, drängen auf einen Rennstart. Das hat aber keinen Sinn, denn die Kleinen sind schnell frustriert, wenn es im Wettkampf nicht rund läuft. Oft bewirkt ein gutes Training viel mehr als ein Rennen mit lediglich einem Lauf. Rennen gehören grundsätzlich natürlich dazu, denn jeder möchte sein Bestes zeigen. Wir entscheiden daher individuell, was effektiver und sinnvoller für den jeweiligen Athleten bzw. Athletin ist. Eine Reduzierung der Rennen im Kinderbereich sollte seitens Landesverband bzw. auf Bezirksebene angedacht werden.
Es ist aufgefallen, dass auf Bezirksebene rund 190 Kinder starten und bei den Schülern sind es nur noch 70. Welchen Grund gibt es dafür?
Wie vorhin angesprochen, fehlt die Konzentration auf den Skirennsport. Andererseits fallen aus schulischen Gründen viele weg. Aufgrund von vermehrtem Nachmittagsunterricht und den höheren schulischen Anforderungen ist es oftmals schwierig, ein doch sehr zeitintensives Skitraining unterzubringen. Unser absolutes Ziel ist es, den Kindern und vor allem Schülern spätere Trainingszeiten zu ermöglichen, damit sich Schule und Skisport leichter vereinbaren lassen. Dafür wäre eine beleuchtete Trainingsstrecke notwendig.
Was braucht es für eine Skikarriere?
Es braucht Einsatz, Durchhaltevermögen, viel Leidenschaft und am Wichtigsten ist das Glück ohne größere Verletzungen durchzukommen. Wenn ein junger Rennläufer das möchte, dann kann das ausgereizt werden. Ein Nachwuchsfahrer muss 100%ig dahinterstehen, muss Niederlagen einstecken können, ansonsten schafft er es nicht an die Weltspitze.
Wohin geht die Reise bei den Alpinen?
Einiges wurde bereits umstrukturiert und es wird auch weiterhin an positiven Veränderungen gearbeitet. Wir bleiben nicht stehen, möchten uns ständig weiterentwickeln, wollen das Beste für alle Kinder und vor allem den Spaß am Skirennsport vermitteln. Es geht auch nicht mehr um das zwingende Gewinnen oder dass alle Rennen im Kindesalter bestritten werden. Das Stangentraining sollte öfter durch Freifahren ersetzt werden, um Bewegungsabläufe spielerischer zu erlernen. Überforderungen dürfen einfach nicht sein, ich möchte vor allem, dass die Kinder Freude und Spaß auf den zwei Brettern haben. Der Willen Rennen zu fahren, diese zu gewinnen und nach ganz oben zu wollen, kommt dann von selbst.
Gibt es wieder Sommertrainings?
Ab Mitte Mai werden wir mit den Schülern an der Grundlagenausdauer arbeiten und mit Juni bzw. Ferienbeginn starten wir dann auch wieder sukzessive mit den Kindergruppen. Unsere Trainer bereiten gerade den Plan vor, es wird wieder vielseitig und anspruchsvoll. Jedoch verbunden mit Freude an der Bewegung.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Gemeinsam müssen Verbände und Industrie daran arbeiten, damit es weniger Verletzungen gibt. Es ist bedenklich, wie viele Athleten schwere Verletzungen, wie zum Beispiel einen Kreuzbandriss, erleiden. Seit vielen Jahren wird darüber gesprochen, es hat sich allerdings nicht viel getan. Der Druck bei den Kinder- und Schülerkategorien muss rausgenommen werden, eine technische Vorbereitung, also Trainings, nicht unbedingt mit Stangenfahren, ist oftmals zielgerechter. Ich wünsche mir, dass vor allem die Kinder mehr Zeit bekommen, in Ruhe an ihrer skitechnischen Entwicklung zu arbeiten.