Page 49 - Nr46 SkiKitz Jänner 2006
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K.S.C.-Clubzeitschrift – Frühjahr/Sommer 2006 Seite 49
den. Man fliegt einige Sekunden durch die Luft Nach dem Unfall von Brian hatte man jedoch ei-
und legt dabei rund 20 bis 30 Meter zurück. Ich nen Gleitzaun angebracht, über dem ich rund fünf
stellte mich so auf, dass ich einigen Läufern Meter dahin schlitterte. Dann wurde ich vom Zaun
zusehen konnte, um den richtigen Eindruck zu wieder ausgespuckt und befand mich in einem
bekommen. Genau dann landete ein Hubschrau- flacheren Abschnitt, wo ich versuchte, wieder Hal-
ber, um einen Läufer einzuladen, der den Sprung tung einzunehmen und die Schlaufen meiner Stö-
von der Mausefalle nicht besonders gut erwischt cke unter den Achseln hervorzuholen. Ich erinnere
hatte. Noch ein paar weitere Läufer hatten den mich, wie ich prustend und pustend dort entlang
Fehler gemacht, sich während des Sprungs zu fuhr und auch bereits einige passende Ausdrücke
weit zurückzulehnen, um anschließend in einem parat hatte, um meine Abfahrt bis zu diesem Punkt
Korb unter dem Hubschrauber baumelnd - wer zu beschreiben. Der Rest der Strecke war weniger
weiß wohin - gebracht zu werden. Vielleicht gar spektakulär, bis ich über die Hausbergkante und in
ins Leichenschauhaus. den Zielschuss einfuhr. In diesem Abschnitt wer-
Da stand ich also 20 Minuten lang am Start und den über 140 km/h gemessen, und am Ende des
diskutierte einen Schlachtplan mit Rick Cellebri- Abhangs wurde ich in die Kompression gedrückt.
ni, unserem Startcoach. Rick ist ein Fußballer Wieder rutschten mir die Stöcke unter die Achseln.
aus Vancouver, ein wirklich guter Mann, also Ich nahm den letzten Sprung in zurückgelehnter
fragte ich ihn um Rat, der lautete, ich solle zuse- Position und kam so hart auf, dass mein Ski in zwei
hen, von hier zu verschwinden! Ich dachte darü- Teile zerbrach; durch den Aufprall kam ich jedoch
ber nach, beschloss dann aber, nicht der einzige wieder auf die Beine. Meine Bretter schlitterten nur
Kanadier sein zu wollen, der einen Rückzieher so über den Schnee, als ich die Ziellinie passierte.
macht. Und ich würde mich lieber zerfleischen Die Metallplatte meines Schis war in einem Winkel
lassen als diese Nachrede zu erhalten. Da gab von 45 Grad aufgebogen, so dass mein rechtes
mir Rick den Tipp, mich mit 100%igem Einsatz Bein merkwürdig angehoben war. Endlich konnte
hinunter zu lassen, falls ich überhaupt überleben ich anhalten. Da stand ich nun mit den Stöcken
wolle. Dieser Rat steht im Widerspruch zu dem
anderen Trainer, die dir normalerweise sagen, unterm Arm, einem in der Mitte durchgebrochen
Ski und meinem rechten Bein, das aussah, wie
eine Strecke beim ersten Mal zum Eingewöhnen ein Straßenarbeiter, der an seiner Schaufel lehn-
nur mit 60%igem Einsatz zu fahren. Irgendwie te. Sämtliche Schnallen meines linken Schischuhs
eine bizarre Situation - während der Helikop-
ter mit seiner Ladung davonflog, legten wir uns waren ausgerissen und zierten nun den Zaun am
einen Einsatzplan zurecht, der Großteils von Ende des Steilhangs. Rob Boyd nahm mich in
einem Fußballer ersonnen wurde, der nicht mal Empfang mit den Worten: „Hey Jonny, wie war‘s?“
Schilaufen kann. Meine Augen waren wahrscheinlich so groß wie
Ich stieß mich vom Start ab wie ein Wahnsinniger Untertassen, als ich antwortete: „Was zum Teufel
und erkannte rasch, dass unser Einsatzplan ei- glaubst du, wie es war?“
nen schwerwiegenden Fehler aufwies. Ich flog Am Abend, als wir das Video von meiner Fahrt an-
über die Mausefalle - natürlich zurückgelehnt - sahen, amüsierten wir uns prächtig. Rick und ich
und landete fast am unteren Ende des Abhangs, sahen einander nur vielsagend an. In dieser Nacht
von wo ich wieder empor schnellte, hatte aber kriegte ich kaum ein Auge zu, und beim zweiten
die Schlaufen meiner Stöcke unter den Achseln, Trainingslauf nahm ich den Start so vorsichtig wie
wo sie auch den ganzen nächsten Abschnitt möglich. Bis zum Ende der Woche hatte ich richtig
über blieben. Ich verfehlte das Tor am oberen Gefallen an der Strecke gefunden, war aber eben-
Ende des Steilhangs, das eine scharfe Kurve so froh, meine Streiferlebnisse mit einer Runde im
beschreibt und anschließend unmittelbar nach Pub abschließen zu können.
rechts über einen eisigen Hang mit einem Gefäl- Hut ab vor all jenen, die diese Strecke bezwungen
le von mehr als 60 % führt. Übrigens gibt es nur haben, und vor allem vor den Kanadiern Ken Read,
wenige Läufer, die ein Tor auf der Streif verfehlt ha- Todd Brooker und Steve Podborski, die hier sogar
ben und anschließend auch noch davon erzählen auf dem Siegerpodest standen. (Letzterer sogar
können! Am unteren Ende des Steilhanges ist ein zweimal.) Ich denke, ich kann für mich und ei-
hoher Zaun, der Brian Stemmle beinahe das Leben nige andere mit Sicherheit behaupten, dieses
gekostet hätte. Ich spürte, dass ich dagegen fahren Rennen lieber sicher und bequem vom Sofa aus
würde, und machte mich auf einen Aufprall gefasst. zu verfolgen.