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K.S.C.-Clubzeitschrift – Frühjahr/Sommer 2005 Seite 51
besserungen einführte (Skitaillierung, Fersenzug- Die Auseinandersetzung über diese neuartige
bindung). Skitechnik entwickelte sich in Mitteleuropa zu
So sind also in den ersten skirennsportlichen einem mehrjährigen Streit der Skiexperten jener
Bewerben im Norwegen des 19. Jahrhunderts Zeit. Nicht nur die Skitechnik der ersten beiden
sowohl nordische als auch bereits alpine Grund- Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts war nordisch
züge zu erkennen, welche damals aber noch auf geprägt, sondern auch die mitteleuropäischen
das engste miteinander verbunden waren. Rennsportereignisse. Die prägenden Disziplinen
vom Mutterland Norwegen mit der Vorbildveran-
Mitteleuropa - Beginn des alpinen staltung am Holmenkollen waren:
Skirennsports - Skispringen
- Langlauf
Auslösender Schritt der Entwicklung aus den
vorbereitenden norwegischen Skigeschehnissen ergänzt durch Sonderformen wie
hin zum „alpinen“ Skirennsport Mitteleuropas - Dauerlauf
wird in fast allen Publikationen einem Mann - Hügellauf
zugeschrieben - nämlich dem Grönland- und - Hochgebirgslauf
Polarforscher sowie späteren Nobelpreisträger
Fridtjof Nansen. Als dieser nach erfolgreicher Matthias Zdarsky – Vater des Torlaufs
Durchquerung Grönlands auf Skiern einen
beschreibenden Reisebericht 1889 herausgab Aber auch in Bezug auf den Skiwettkampf warte-
(deutsche Ausgabe 1891), faszinierte er seine te Zdarsky mit neuen und bahnbrechenden Ideen
Zeitgenossen durch die begeisternden Worte für auf.
den Skisport. Das Buch wurde in viele Sprachen
übersetzt und war ein „Bestseller“ seiner Zeit. So
Genau am 19. März 1905 bereitete Zdarsky sein
wurde er zum geistigen Vater des Skilaufs in erstes „Wettfahren“ vor, einen „Torlauf“ vom Muk-
Mitteleuropa. An vielen Alpenorten begannen fast kenkogel bei Lilienfeld. Höhenunterschied 489
gleichzeitig Pioniere ihrem Vorbild Nansen nach- Meter, maximale Hangneigung zwischen 35 und
zueifern und absolvierten erste Versuche mit dem 45 Grad, 1.950 m Streckenlänge. Gefordert war
neuen „Sportgerät“.
die Einhaltung einer vorgegebenen Bahn, die
Im November 1896 erschien in einem Hamburger durch 85 „Fahnenmale“ (Tore) ausgesteckt war.
Verlag ein 97 Seiten umfassendes Skilehrbuch Allerdings gab es auch bei diesem Bewerb noch
unter dem Titel „Die Lilienfelder Skilauftechnik“. (wie bei den alpinen Dauerläufen) eine Gegenstei-
Der Verfasser erklärte unmissverständlich, dass gung zu bewältigen. Die Torfolge beziehungs-
der lange norwegische Ski mit seiner lockeren weise die Torabstände waren mit dem eines heu-
Riemenbindung, die Art des norwegischen Ski- tigen Riesentorlaufes vergleichbar. Für den Sieg
laufes, wie sie damals gepflegt wurde, mit ihren war die sturzfreie Fahrt Vorgabe, die erreichte Zeit
Telemark- beziehungsweise Christiania-Schwün- zweitrangig.
gen und dem Springen im Hügelland, zwar etwas
Attraktives habe, für alpines Gelände jedoch völ- Zdarskys Wettkampf stellte keinen zufälligen Ver-
lig ungeeignet sei. Für die ganz auf Norwegen such dar, sondern dieser erste Torlauf war genau
eingestellte junge mitteleuropäische Skigemein- berechnet und ein in allen Einzelheiten durchge-
de wirkten diese Ausführungen wie eine „Bom- dachter Bewerb. 24 Männer und Frauen stellten
be“. Der Verfasser dieses Skilehrbuches war der sich zum ersten „Vergleichsfahren“ zur Verfügung.
damals noch unbekannte Mathias Zdarsky. Der Es erfolgte Einzelstart nach ausgeloster Reihen-
turnerisch bestens geschulte Zdarsky entwickel- folge, vorgeschriebene Startnummern waren auf
te auf seinem abgeschiedenen Bauerngut in der Brust und auf dem Rucksack (Fahrt mit
Habernreit bei Lilienfeld (AUT) in mehrjähriger Gepäck) sichtbar zu tragen, vorkommende Stürze
Erprobungsphase zwischen 1891 und 1896 im wurden extra bewertet. Der Wettkampf wurde
Rahmen von Selbstversuchen nicht nur anderes vollständig dokumentiert, topographische Pläne
Skimaterial (kürzere Ski, Stahlsohlenbindung mit erstellt und Fotos sowohl der Wettkampfstrecke
Federzug), sondern baute auch methodisch die als auch der Teilnehmer gemacht. Jedes einzelne
Grundzüge des heutigen alpinen Skilaufes auf. Tor wurde nach Hangneigung, Höhendifferenz
und Länge auf das genaueste ausgemessen und